GLASKUNST – ein Fall für die Glasbrüder.
Es kommt immer wieder vor, dass sich die Leidenschaft für einen Beruf – insbesondere für einen künstlerischen – in einer Familie festsetzt. Denken sie nur an die sogenannten Schauspielerdynastien. Und was fürs Schauspiel gilt, gilt für Glaskunst erst recht. So, das war auch schon meine Einleitung ins heutige Thema. Ich muss mich nämlich beeilen, wenn ich noch aktuell sein möchte. Denn die beiden Glasbrüder von HG ATELIER DESIGN, Filip und Lukáš Houdek, stellen ihre neueste Glaskunst-Sammlung derzeit im Rahmen einer besonderen Ausstellung vor. Und was das Ganze mit Radsport zu tun hat, erzähle ich etwas weiter unten.
Obsession, tschechisch Posedlost
Obsession heißt die von der Leidenschaft für den Radsport inspirierte Glaskunst-Ausstellung von Filip und Lukáš Houdek. Präsentiert wird eine Sammlung atypischer Leuchten aus Glas sowie Ready-made-Komponenten. Dass man, um die außergewöhnliche Glaskunst zu sehen, nach Prag reisen muss bzw. darf, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Denn Prag ist immer eine Reise wert – wer schon einmal da war, weiß wovon ich rede. Also der Vollständigkeit halber sei gesagt: die Ausstellung von Filip und Lukáš Houdek ist noch bis 21. September 2018 in der Galerie Kvalitář in Prag zu sehen und trägt den Namen „poSEDLOst“, was so viel heißt wie Obsession.
In Tschechien sitzt Glaskunst fest im Sattel
Dazu muss man wissen, dass im Wort und Ausstellungstitel „poSEDLOst“ eben das Wort SEDLO steckt – und das heißt auf Deutsch: Sattel. Der Titel der Ausstellung spielt mit dem Wort und stellt mit „Sattel“ die Verbindung zu oben erwähnter Radsport-Leidenschaft her. Gleichzeitig unterstreicht Sedlo die Sattelfestigkeit von Glas, das in Tschechien einen einzigartigen Stellenwert genießt. Glaskunst hat in meiner Heimat eine lange und große Tradition. Im Laufe der Zeit haben tschechische Glasmacher ein breites Glaskunst-Portfolio geschaffen. Das Material Glas und dabei insbesondere die Schmelzfähigkeit inspiriert und lässt freie Glaskunst und Gebrauchskunst nebeneinander entstehen. Kein Wunder also, dass die Galerie Kvalitář sich in ihrer aktuellen Design-Ausstellung der Glaskunst widmet.
Wie modern Glaskunst doch ist
Ziel der Ausstellung „poSEDLOst“ ist es laut Kurator Jan Dotřel, zu zeigen, wozu Glaskunst von heute dank der Verbindung von altem Wissen, Können und modernen Technologien fähig ist. Das HG Atelier aus Nový Bor, also die Wirkstätte der Glasbrüder, ist bekannt für hohe Präzision, Design-Perfektion sowie innovative und progressive Glasbearbeitung. Die aktuelle Ausstellung hat aber noch mehr zu bieten: nämlich den Überraschungseffekt, der Kunst oft erst zu dem macht, was sie ist. Die Überraschung von „poSEDLOst“ kommt auf zwei Rädern daher und wird angetrieben von einer großen Leidenschaft für den Radsport und einer noch größeren Bewunderung für die Ikonen des weltweit populären Sports.
Was haben Radfahren und Glaskunst gemeinsam
„Arbeit, Hingabe, Mühsal, die Fähigkeit, sich für die Sache zu opfern, aber auch Freude, Enthusiasmus, Selbstbewusstsein, Disziplin, Befriedigung und sogar Liebe …“ All das findet Filip Houdek, Designer und Gründer von HG Atelier, sowohl im Radsport als auch in der Kunst – genauso wie interessante Persönlichkeiten und intensive Freundschaften. Das Thema an sich begleitet die Brüder Houdek in ihrer Arbeit schon seit der Schulzeit. Gemeinsamkeiten zwischen Sport und ihrer Glaskunst sehen die Houdeks auch in der Fähigkeit, sich voll und ganz auf das im Moment Wichtigste, das Ziel, zu konzentrieren. Auch das Ausloten und Ausdehnen von Grenzen sowie in der Annahme von Herausforderungen vereint Sportler und Künstler. Wer Gemeinsamkeiten sucht, findet noch vieles, das Radsport und Glaskunst verbindet: jede Menge Schweiß, Talent und Meisterschaft, Teamarbeit und die Suche nach neuen Wegen, um besser zu werden, der Einsatz neuer Technologien, Strategien und Taktik…
Auf eine Gemeinsamkeit zwischen Radfahren und Glaskunst möchte ich aber auf gar keinen Fall vergessen: die Sieger der Tour de France freuen sich seit Jahren über Glastrophäen aus Tschechien, genauer gesagt aus Novy Bor.
Faszination Radsport, Faszination Glaskunst
Offensichtlich sind Filip und Lukáš Houdek sowohl von Glas als auch vom Radfahren fasziniert. Diese Dualität bringen die Glasbrüder in ihrer aktuellen Ausstellung zum Ausdruck. Das Vernissage-Publikum bekam darüber hinaus nicht nur ein bemerkenswertes Glaskunst-Werk zu sehen, sondern auch herrliche Oldtimer-Fahrräder. Auf diesen und entsprechend stilvoll gekleidet kamen die beiden Brüder und ihre Kollegen nämlich zur Ausstellungseröffnung nach Prag.
Aber man muss wirklich kein Radsportfan sein, um die Glaskunst der Houdeks zu lieben. Es genügt, ganz einfach auf der Suche nach etwas Interessantem, Schönem und Edlem zu sein.
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Armstrong
Genug der Worte. Jetzt gibt’s etwas fürs Auge: die imposante Hängeleuchte namens ARMSTRONG. Sie wiegt rund 100 kg und besteht aus Fahrradrahmen. Dass es sich dabei um so etwas wie eine Würdigung des siebenfachen „Tour de France“-Gewinners, Lance Armstrong, handelt, wird wenig überraschen. Inspiration holten sich die Houdeks vom Re-Design-Prozess des Objektkünstlers Marcel Duchamps.
Filip und Lukáš Houdek spielen nach eigenen Angaben am liebsten mit den echten Rennradkomponenten. Diese verfügen nicht zuletzt aufgrund über hundertjähriger Entwicklungsarbeit über durchaus designrelevante Eigenschaften. So sieht man etwa die Bemühungen rund um die permanente Gewichtsreduktion und Steigerung der Stabilität in jedem Detail. Die Fahrradteile in Glaskunst zu verwandeln ist für die Glasbrüder eine freudvolle Kreativarbeit.
Dass die Lance Armstrong Geschichte neben seinen Siegen über Kontrahenten und schließlich über seine Krebserkrankung auch einen Dopingskandal enthält, verleiht dem Kunstwerk „Armstrong“ eine zusätzliche Komponente. Ich überlasse die weitere Deutung Ihrer Beobachtungsgabe.
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Cipollini
Das Lichtobjekt namens Cipollini verbindet eine hintere Fahrrad-Konstruktion mit einem Rad aus Milchglas und Spiegel. Die Speichen werden mittels klassischem „Muřina“-Schliff gezeichnet. Durch den Schliff dringt Licht. Die entsprechende Lichtquelle ist ein LED-Streifen im Reifen. Das reimt sich ja sogar und passt damit perfekt zum Namen des Lichtobjektes: „Mario Cipollini“ klingt wie ein Gedicht!
Der italienische Salon-Löwe prägte Anfang der 1990er bis 2005 den Welt-Radsport. Ohne ihn wäre alles nichts! Cipollini-Straßenräder sind heute richtige Meisterwerke von höchster Qualität. Das sei am Straßenrande erwähnt.
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Dear Marcel
Dear Marcel heißen diese kinetischen Tischleuchten. Der bewegliche Teil besteht aus geschliffenen Kristallen, die auch für Kronleuchter verwendet werden.
Dear Marcel ist eine Hommage an Marcel Duchamp, den Mitbegründer der Konzeptkunst.
1913 verwandelte Marcel Duchamp eine gefundene Gabel mit einem Vorderrad in ein Kunstwerk, das Intellektuelle bis heute zu mutigen Theorien motiviert.
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Francesco Moser
Die Skulptur erinnert an die Lenker des traditionellen tschechischen Rennrades „Favorit“. Tatsächlich bildet deren Form die Basis für „Francesco Moser“. Der Namensgeber der Skulptur himself ist eine Radsport-Legende der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. Der Grand Sir des Italienischen Radsports gab auch schon den prächtigsten Rennrädern seinen Namen.
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Merckx
Ein Name darf nicht fehlen, wenn es auch nur im weitesten Sinne um Radsport geht. Eddie Merckx.
Der Belgier war in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts im Profi-Feld so gnadenlos gut, dass ihn 1975 Fans seiner Konkurrenten aus dem Sattel rissen. Damit wollten sie seinen sechsten „Tour de France“-Sieg verhindern. Sein merkwürdiger Name war auch auf den Rahmen der besten Straßenmaschinen zu finden.
Zurück zur Glaskunst. Ich bin sicher, sowohl die begeistertsten Fans des Radsports als auch die größten Glasdesign-Bewunderer wird das Glasbild Merckx anziehen. Im engen Sinne handelt es sich dabei um einen mit goldener Kette stilisierten Radrennfahrer. Erkennen Sie Eddie Merckx darin?
Bilder einer Glaskunst-Ausstellung – Bucket of winners
Am Ende wartet die Trophäe! Was wäre eine Glaskunst-Ausstellung, die sich dem Radsport verschreibt ohne Siegerpokal? Nicht nur der Vollständigkeit halber haben die Glasbrüder Bucket of winners kreiert. Leuchte oder Vase – lautet die Frage, deren Beantwortung ich einmal mehr gern Ihnen überlasse. Tatsache ist, dass der Behälter auch als mit Kristallen verzierte Leuchte verwendet werden kann.
Darf ich vorstellen: die Glasbrüder
Zum Abschluss möchte ich Ihnen die beiden Glaskünstler, für die mein Herz schlägt, Filip und Lukáš Houdek aus Nový Bor noch ein bisschen näher vorstellen.
Die beiden sind immer auf der Suche nach neuen Anwendungen im Bereich der Glaskunst. Ihre Arbeiten gelten als die technische, visuelle und intellektuelle Basis der Marke HG ATELIER DESIGN aus Nový Bor mit Schwerpunkten in der Fertigung von Lampen, Glasprodukten und Einzelstücken.
Lukáš Houdek, der jüngere Bruder, ist ein innovativer Glasmacher, der den typischen tschechischen Humor in seine Glaskunst überträgt. Er benutzt Glas, um Humor zu transportieren und Beziehungen herzustellen. Zur Glaskunst ist er durch seinen Bruder Filip gekommen.
Filip Houdek verfügt als Designer über große Praxiserfahrung. Er konzentriert sich im Wesentlichen auf das Lampen-Design und dabei auf die Verbindung von Metall und Glas. Seine Spezialität: glatte Linien in Verbindung mit Edelstahl.
Aktuell präsentieren die beiden ihre Glaskunst in der Galerie Kvalitář (KVALITAR GALLERY) im Zentrum von Prag. Die Galerie verpflichtet sich der Idee der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Bereicherung und Ergänzung. Kvalitář stellt aktuelle Kunsttrends aus, verkauft Bildende Kunst aus Tschechien, führt Architekturprojekte durch, bietet Originalmöbel führender Designer an … In ihrer Art ist die Galerie einzigartig in der Tschechischen Republik.
Für mich ist dieser heutige Beitrag in mehrfacher Hinsicht wichtig. Ich schätze und liebe Glaskunst, insbesondere die von Filip und Lukáš Houdek. Mir gefällt die Idee, Radsport und Glaskunst zu verbinden, immerhin ist Sport auch meine eigene Inspiration. Ich kann Filip und Lukáš also gut verstehen. Lichtkunst und neue Ansätze gefallen mir sowieso und außerdem würde ich gern viel öfter in Galerien gehen. Das nehme ich mir für den kommenden Herbst ganz fest vor. Vielleicht treffen wir uns ja irgendwo …
Ich freu mich drauf,
Ihre Jana,
die gleich mal das Rad aus dem Keller holt. Ich bin dann mal auf den Spuren von Merckx, Moser, Armstrong, Cipollini… stellt schon mal das Bucket of winners für mich bereit 😊 Ob als Gefäß oder Leuchte ist mir eigentlich egal.
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