Spektakulärer Jungdesigner Contest auf der imm Cologne
„Es ist ein Trend“, sagt der Designer, „es ist ein Experiment“, sagt der Jungdesigner. Und was wäre unsere Welt ohne das Experimentelle, ohne das Unkonventionelle, ohne die ungeschliffenen Diamanten und ihre visionären Entwürfe? Zumindest deutlich langweiliger. Nicht zuletzt deshalb freue ich mich sehr, heute eine andere – junge – Seite der imm Köln vorzustellen. Die Rede ist vom Pure Talent Contest 2016, der 19 Werke von Jungdesignern nominierte und im Rahmen der imm Köln ausstellte. Die drei Talentiertesten wurden ausgezeichnet. Diese drei und noch ein paar weitere Jungdesigner, die mich speziell überraschten bzw. überzeugten, hab ich Ihnen mitgebracht. Doch zuerst noch ein bisserl was Allgemeines:
Inhaltsverzeichnis
- Highlight für Jungdesigner und…
- Jungdesigner – Kinder ihrer Zeit
- Die Dinge der Jungdesigner – meine Auswahl
- ‚BasketLamp’ von Juan Cappa, Columbia
- ‚Work shift’ von Lena Plaschke, Deutschland
- ‚Cutting Edge’ von Martijn Rigters, Niederlande
- ‚InterfaceTable’ von Louie Rigano, USA
- ‚Two Faces’ von Philipp Grundhoefer, Deutschland
- ‚random non random’ von Ruben Beckers, Deutschland
- ‚Curved Chair’ von Nina Cho, Südkorea/USA
- ‚Rodular’ von James Shaw, Großbritannien
- ‚XTEND’ von Carina Deuschl aus Deutschland
- Ausgezeichnet
- Die Sieger
- Platz Drei geht an ‚Cardboard Stool’ von Luisa Kahlfeldt aus Deutschland
- Platz Zwei geht an ‚As High As Best’ des Duos Oliver-Selim Boualam und Lukas Marstaller, Buttermutten AG, aus Deutschland
- Den zweiten Platz zwei gibt’s für zwei 🙂 und somit auch für ‚TWO’ von Oliver-Selim Boualam, Buttermutten AG, aus Deutschland
- Platz Eins geht an ‚DANCERS’ von Aurelie Hoegy, Frankreich
Highlight für Jungdesigner und…
Der Pure Talent Contest ist Teil der Messe, steht aber abseits von Kommerz und ist damit ein „great place to be“ für Jungdesigner, Einzelkämpfer oder Gruppen, Studierende, Unis und Co. Diese Ausstellung zeigt das faszinierende Spektrum der jungen internationalen Jungdesigner-Szene und ist nicht zuletzt deshalb auch für Aussteller und Messebesucher ein Highlight. Vor allem für jene, die auf der Suche nach Ausgefallenem und unkonventionellen Ansätzen sind. Bei den für die Ausstellung nominierten Jungdesignern dreht sich alles um Innovation. Neu und innovativ sind die Verwendung von Material, ganze Konzepte oder etwa die Vertriebsform. Beim Talentwettbewerb geht’s um Grenzüberschreitung, spektakuläre Inszenierung und vieles mehr. Ein Umfeld, das mir sehr gefällt. Weil ich mutiges, junges Design sehr mag. Und weil es einfach gut tut, zu sehen, was Jungdesigner draufhaben, wenn man ihnen Raum und Gelegenheit gibt. Begleiten Sie mich also in den etwas anderen Ausstellungsbereich der imm Köln, den es in Zusammenarbeit mit dem „Rat für Formgebung“ übrigens schon zum dreizehnten Mal gibt. Die Bewerbungen von talentierten Jungdesignern aus aller Welt stiegen in 13 Jahren kontinuierlich an. Bis jetzt wurden auf der imm cologne im Rahmen dieses Wettbewerbs insgesamt 375 Produkte von 474 Jungdesignern vorgestellt. Heuer hatte die hochkarätige Fachjury die besten drei aus 19 Nominierungen zu wählen. Und das war schwer genug.
Jungdesigner – Kinder ihrer Zeit
Denken Sie auch manchmal darüber nach, wie cool es wäre, einmal etwas richtig Tolles zu erfinden? Ich schon. Allerdings wird mir jedes Mal schnell bewusst, dass Erfinden Knochenarbeit ist. Zu vieles gibt es bereits, wurde schon anderswo von irgendjemandem gedacht… Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass es den Jungdesignern des Pure Talent Contests auch 2016 wieder gelungen ist, zu verblüffen und völlig Neues zu präsentieren. Zum Beispiel mobile Badewannen oder Fliesenbordüren, deren Muster an Meeresrauschen erinnern. Es gab sich auflösende Grenzen zwischen Design, Funktion und Kunst, zwischen einzelnen Funktionen, zwischen Bewegung und Standfestigkeit… zu sehen. Revolutionäre Gedanken zum Sitzen trafen auf experimentelle Leuchten, die man in Körben bzw. wie Körbe tragen kann. Nachhaltigkeit spielte eine Rolle, Freiheit auch. Begriffe wie Nutzen, Rückkehr oder Zukunftstauglichkeit fallen mir ein und damit bin ich schnell am Puls der Zeit angekommen. Wie gesagt, die Jury hatte es nicht leicht.
Eines traue ich mir durchaus zu sagen. Die Jungdesigner bewiesen Mut und Ideenreichtum. Sie entdeckten in Möbeln völlig neue Möglichkeiten, gingen schon heute auf gestalterische Anforderungen von morgen ein, und (er)fanden frische Formen – auch von Lebensgefühl – die in unsere Zeit passen wie angegossen und doch da und dort anecken. Ein Widerspruch? Wer weiß.
Die Dinge der Jungdesigner – meine Auswahl
Wie gesagt, ich könnte mich stundenlang mit Jungdesignern unterhalten und ihre Arbeiten bestaunen. Das würde diesen Rahmen ziemlich sicher sprengen. Stattdessen stelle ich Ihnen meine Favoriten inklusive Preisträgerinnen und Gewinner vor – nach dem Motto, die Siegreichsten zum Schluss. Staunen Sie mit mir über folgende Jungdesigner und Arbeiten:
‚BasketLamp’ von Juan Cappa, Columbia
An ‚BasketLamp’ faszinierte mich vor allem der experimentelle Umgang mit dem Material und die Korbidee. Ach ja – die Flexibilität nicht zu vergessen. Man kann die Lampen sowohl am Tisch, an der Decke oder am Boden platzieren. Den Griff zum Aufhängen oder Tragen finde ich super praktisch. Vielleicht noch praktischer ist, dass man ‚BasketLamps’ flach verpacken kann und recht einfach zusammenbauen. Gefällt mir.
‚Work shift’ von Lena Plaschke, Deutschland
Eine wirklich tolle Kombi aus Arbeitsplatz und Lichtobjekt ist der Jungdesignerin Lena Pleschke gelungen. Sie verbindet einen pultartigen Tisch mit einem darüber hängenden Lampenschirm. Das schafft optimales Licht beim Schreiben etc. Ist die Arbeit beendet, kann sie den Lampenschirm über die Tischplatte „stülpen“ und voilà: der Arbeitsplatz wird zum originellen Lichtobjekt. Eine Idee, die ich mir durchaus in meinem eigenen Wohl-Arbeitsumfeld vorstellen kann.
‚Cutting Edge’ von Martijn Rigters, Niederlande
Dieser erfinderische Jungdesigner greift bei seiner Sitzgelegenheit auf die bekannte Schaumschnitttechnik zurück und macht die Benutzer selbst zu Designern. Er bewegt sich gekonnt im Graubereich zwischen funktionaler Sitzart und Bildhauerei. Die spezielle Technik ermöglicht, dass jede Bewegung eines Anwenders in eine Form mündet. ‚Cutting Edge’ entsteht immer wieder neu und erhält einen einzigartigen Charakter.
‚InterfaceTable’ von Louie Rigano, USA
Wer wie ich einen Tisch gern als Ablage für Zeitungen und Kaffeetassen verwendet, wird dieses Jungdesigner-Exemplar lieben. Im InterfaceTable verbinden sich Holztablett und großes Tisch-Element aus Glasfaserkunststoff nach Puzzlemanier. Das oben flache und unten wellige Tablett trägt Tassen und Co, die gewellte Tischoberfläche ist ideal fürs Ablegen von Magazinen und Zeitungen. Mich hat auch der ungewöhnliche Materialmix voll überzeugt.
‚Two Faces’ von Philipp Grundhoefer, Deutschland
Die Arbeit des Jungdesigners aus Deutschland zeigt ein Regal mit ein paar markanten und tollen Extras. Es ist zum Beispiel stufenlos höhenverstellbar. Ins Auge stechen sicher die Lamellen oben auf der Ablagefläche. Sie schaffen originellen Platz für Accessoires und notwendige Festigkeit. Auch super ist die einfach Montage mithilfe eines Clip-Mechanismus an der Unterseite.
‚random non random’ von Ruben Beckers, Deutschland
Man nehme eine Portion Geradlinigkeit und verwirre bzw. überrasche mit fast willkürlich zusammengefügten Furnierflächen. Ich kann nur sagen: es wirkt und mir gefällt die Leichtigkeit mit der hier der Jungdesigner mit scheinbaren oder echten Gegensätzen spielt. Ein schönes Möbelstück!
‚Curved Chair’ von Nina Cho, Südkorea/USA
Faszinierend, was man mit einer einzigen Stahlblechform alles machen kann – in diesem Fall eine dreidimensionale Sitzschale. Der Jungdesignerin ist hier etwas Tolles gelungen. Wer sich hinsetzt, spürt die Freiheit nach Lust und Laune Platz zu nehmen. Die Rolle der Armlehne – für mich ganz wichtig im Sinne der Gemütlichkeit – übernimmt hier die geschwungene Oberkante. Und schön finde ich auch die Beine.
‚Rodular’ von James Shaw, Großbritannien
Ganz schön schlicht. Das fällt mir zur Serie Rodular auf den ersten Blick ein. Auf den zweiten gesellt sich der Begriff Nachhaltigkeit dazu. Denn das Holz – Buche massiv – stammt von Wäldern in Europa. Den Jungdesigner überzeugte vor allem die Faserstruktur des Holzes, die er für die Umsetzung seiner geometrischen Formenidee gut brauchen konnte. Seine Stühle und Hocker vereinen Funktion, Festigkeit und niedrige Herstellungskosten. Auch nicht zu verachten.
‚XTEND’ von Carina Deuschl aus Deutschland
Darauf habe ich mich schon gefreut. Denn das ist mal eine richtig witzige, gut aussehende und praktische Novität: die mobile, hochflexible Badewanne. ‚XTEND’ ist aus Karbonfaser hergestellt, knapp 8 mm dünn und mit sieben Kilo sehr leicht. Also transportabel. Eine weiche, in der Waschmaschine waschbare Textileinlage wird mit Wasser gefüllt und dem Badevergnügen steht nichts mehr im Weg. Die Jungdesignerin hat sich da wirklich was einfallen lassen. Und das wird auch belohnt. Die Badewanne hat Red Dot Award: Design Concept, “Best of the Best” 2015 bekommen. Herzlichen Glückwunsch Carina. Sie sind interessiert? Dann hab ich noch was für Sie, denn für die ‚XTEND’ gibt’s eine tolle Video-Bauanleitung.
Ausgezeichnet
Mit einer sog. Special mention wurde ‚Onda’ von Anna Badur aus Deutschland ausgezeichnet
Wer bislang dachte, Fliesenbordüren hätten kein Starpotenzial, der wird dank „Onda’ eines Besseren belehrt. Die einzigartigen, digital bearbeiteten Muster, die durch Wellenbewegungen oder Wasserverdunstung entstanden, fügen sich zu Bordüren. Diese bestehen aus je zwei Fliesen, die sich wiederholen. Das muss man gesehen haben. Wasser und Meer sind auf einmalige Art präsent, was natürlich super zur Fliese in Wellness- und Badezonen passt. Die Umsetzung, die so echt wie nie wirkt, ist faszinierend und mehr als bemerkenswert. Gratulation nach Deutschland.
Die Sieger
Kommen wir nun zu den besten Drei Jungdesignern des Wettbewerbs:
Platz Drei geht an ‚Cardboard Stool’ von Luisa Kahlfeldt aus Deutschland
Stellen Sie sich vor, Sie rollen Wellpappe zu länglichen Zylindern. Dann schleifen Sie die Kanten und öffnen damit den Blick auf Farbschichten und eine wellenartige Struktur, die man sonst nicht sieht. Am Ende des Tages haben Sie einen Hocker kreiert, der Platz Drei beim Pure Talent Contest 2016 holt. Klingt einfach, ist aber genial. Die genialsten Ideen sind nun mal die, die am Ende so einfach und logisch erscheinen, dass man nicht weiß, wieso sie nicht längst jemand gehabt hat. Eine hatte sie: Jungdesignerin Luisa Kahlfeldt und ihr gehört auch Ruhm und Ehr‘. Bravo für dieses einfach geniale Stück!
Platz Zwei geht an ‚As High As Best’ des Duos Oliver-Selim Boualam und Lukas Marstaller, Buttermutten AG, aus Deutschland
Schaukeln statt sitzen könnte hier eine Devise lauten. Und die finde ich allemal sympathisch. Das Jungdesigner-Duo nahm sich für seine Sitzkonstruktion – eine U-Form aus Edelstahl, das mit einem Seil durchzogen wird – die Sitzgewohnheit bei mehr oder weniger langen Aufenthalten im öffentlichen Raum zum Vorbild. Man kennt das von Haltestellen oder Spielplätzen…da werden wir ja oft recht erfinderisch, wenn es um das Finden einer Sitzgelegenheit geht. ‚As High As Best’ sorgte beim Contest jedenfalls für große Aufmerksamkeit – zu Recht wie ich finde!
Den zweiten Platz zwei gibt’s für zwei 🙂 und somit auch für ‚TWO’ von Oliver-Selim Boualam, Buttermutten AG, aus Deutschland
Was wir zu zweit schaffen, kann ich auch allein, dachte sich Jungdesigner Oliver-Selim Boualam und schickte seinen Tisch ‚TWO’ ins Rennen. ‚TWO’ steht für einen Tisch und zwei Formen: Kreis und Quadrat. Beide werden über eine Symmetrieachse gebogen und übereinander gestellt. Das Quadrat wird zum Sockel, gibt Halt, während der Kreis die Tischablage mimt. Spannend finde ich, dass man beim Betrachten sofort denkt: „das kenne ich doch und es ist trotzdem neu!“ Farben schaffen zusätzlich gestalterische Möglichkeiten und schiebt man Two und Two zusammen ergibt sich ein kreisrundes One. Gratuliere!
Trommelwirbel:
Platz Eins geht an ‚DANCERS’ von Aurelie Hoegy, Frankreich
In der Einleitung habe ich von der Auflösung der Grenze zwischen Bewegung und Stabilität gesprochen. Wenn Sie diese Auflösung bis jetzt noch vermisst haben, hier wird sie sichtbar. Liest man im Wettbewerbsfolder nach, kann man lesen: Die Stühle der Reihe ‚DANCERS’ erinnern an Momentaufnahmen in einem Film. Und, was soll ich sagen, ich finde dieses ‚Bild’ recht trefflich. Am besten ist es, ich lasse Sie kurz oder so lange sie möchten mit ‚DANCERS’ allein. Wie wirken die Sitzobjekte auf Sie? Ich finde sie tatsächlich völlig neuartig. Irgendwie sinnlich und berührend…
Das waren sie also, meine ganz persönlichen Eindrücke vom Contest der Jungdesigner auf der imm Köln. Für mich, ganz klar ein Höhepunkt der Ausstellung, der ein ganz eigenes Feeling mit sich bringt. Manche Objekte und Möbelstücke sind vielleicht nicht auf den ersten Blick gänzlich zu erfassen. Es lohnt sich, die Eindrücke etwas wirken zu lassen, ein zweites Mal hinzusehen…
Ich bin neugierig, welchen Jungdesigner Sie an die erste Stelle gesetzt hätten. Oder sind Sie ohnedies mit der Empfehlung der Fachjury einverstanden?
Ich freue mich auf Ihre Meinung!
Viel Spaß mit den Fotos und mit Ihren persönlichen Gedanken dazu.
Bis bald
Ihre Jana
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